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Stephan Rosenzweig Fahrdynamische Eigenschaften einer supraleitend gelagerten Magnetschwebebahn sowie deren didaktisches Anwendungspotential
DIN A4, 231 Seiten, Hardcover
ISBN: 9783957351869 Verlag Wissenschaftliche Scripten
Warum nutzen wir im schienengebundenen Transportwesen immer noch Rad-Systeme? Sie sind laut, belasten unter nderem durch Feinstaub die Umwelt und benötigen große Mengen an Energie, Personal und Material. Allein für die jährlichen Instandhaltungen gibt die Deutsche Bahn AG mehr als eine Milliarde Euro aus, wovon unter anderem zehntausende Radsätze pro Jahr erneuert werden müssen.
Wäre es nicht nachhaltiger, komfortabler und umweltschonender, wenn man auf den Kontakt zwischen Rad und Schiene verzichten könnte? Eine Möglichkeit dafür sind Magnetschwebebahnen, die seit über 100 Jahren in verschiedenen Varianten erprobt und erforscht werden. Gerade im südostasiatischen Raum werden mittlerweile große Anstrengungen unternommen, auch kommerzielle Magnetschwebebahnsysteme mehr und mehr in den Personenverkehr einzubeziehen.
In der vorliegenden Arbeit wird eine supraleitend gelagerte Magnetschwebebahn vorgestellt, deren Funktionsprinzip auf dem Pinningeffekt harter Supraleiter vom Typ II basiert. Dies erlaubt die Konstruktion und den grundsätzlichen Betrieb dieser Bahnen in verschiedenen Geometrien und in allen Geschwindigkeitsbereichen ohne – abgesehen von Luftreibung – nennenswerte Dissipationsverluste.
Allerdings stellt diese Art der Fortbewegung von schwebenden Supraleitern über einer Permanentmagnetschiene eine – im Gegensatz zu herkömmlichen Rad-Schiene-Systemen – derzeit ungelöste Herausforderung dar, wenn Schienenlücken das Magnetfeld unterbrechen. Diese treten unweigerlich auf, wenn zwei Gleise sich kreuzen oder eine Weiche in den Transportweg eingebaut wird. Im Extremfall bleibt hier die Bahn stehen, was für eine praktische Anwendung nicht akzeptabel ist.
Dieser Frage widmet sich unter anderem diese Arbeit. Zunächst jedoch wird, nachdem das System sowie die zugrunde liegenden physikalischen Zusammenhänge detailliert erklärt werden, erstmals eine grundlegende fahrdynamische Analyse durchgeführt. Diese beinhaltet kinematische und dynamische Aspekte sowie energetische Untersuchungen. Einen erheblichen Anteil nehmen hierbei Analysen der an dem Schwebesystem angreifenden Widerstandskräfte ein.
Die Rechnungen zeigen, dass eine solche Magnetschwebebahn herkömmlichen schienengebundenen Transportmitteln aufgrund des Zusammenwirkens von Pinning- und Levitationskräften in vielerlei Hinsicht fahrdynamisch zum Teil weit überlegen ist und grundsätzlich Fahrparameter erlaubt, die Rad-Schiene-Systeme nicht in dieser Weise erreichen können. Außerdem ergibt die Analyse der verschiedenen wirkenden Widerstandskräfte insgesamt sehr geringe Dissipationsverluste, wobei hier die Luftreibung den überwiegenden – aber grundsätzlich im Vergleich zu traditionellen Bahnen geringen – Hauptanteil übernimmt.
Allerdings wird hier auch festgestellt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um Schienenlücken und andere spezielle Bahnkomponenten über- beziehungsweise durchfahren zu können. Insbesondere wurden hier experimentelle Untersuchungen an einer passiven Kreuzung durchgeführt, bei der vier Lücken überfahren werden müssen. Dabei wurde unter anderem festgestellt, welche Mindestanforderungen das Schwebefahrzeug erfüllen muss, um das Hindernis zu überfahren und welche Geschwindigkeitsreduktionen sich daraus ergeben.
Darüber hinaus wird in dieser Arbeit ein didaktisches Projekt vorgestellt, welches die Einbeziehung der Magnetschwebebahn in die gymnasiale Ausbildung eines Grundkurses 11 in Physik beinhaltet. Ausgehend von der Feststellung, dass das Interesse für Physik in der Bildung junger Menschen insgesamt sehr schlecht ausgeprägt ist, kann hier eine Möglichkeit untersucht werden, um durch die Faszination schwebender Fahrzeuge diesem Merkmal entgegenzuwirken.
Aufgrund der vielfältigen Aspekte der untersuchten Magnetschwebebahn konnte eine trimodulare Unterrichtsreihe geplant und durchgeführt werden, die während eines gesamten Schuljahres des Kurses der Jahrgangsstufe 11 Schülerexperimente an und mit der Bahn vorsah. Diese beinhalteten grundlegende kinematische und dynamische Fragestellungen ebenso wie thermodynamische, energetische oder elektromagnetische Gesichtspunkte des gymnasialen Ausbildungsniveaus.
Aufgrund der geringen Kursgröße beschränkte sich die Analyse der Fallstudie vorwiegend auf die grundsätzliche Durchführbarkeit eines solchen Projektes. Statistisch belastbare Aussagen über Ergebnisse der Interessen- und Motivationsentwicklungen konnten nicht erhoben werden, wobei dennoch deskriptive Ergebnisse im Anhang der Arbeit interessehalber vorgestellt werden. Insgesamt zeigt die vorliegende Arbeit die grundsätzliche, faszinierende, fahrdynamische Alternative des Magnetschwebesystems zu traditionellen Transportsystemen.
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